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 Wie ich zu den Bienen kam


Es war an einem klaren Frühsommertag im Jahr 1975. Da ereignete sich direkt vor unserer Haustür ein grandioses Naturschauspiel :
Aus der Luft über mir drang ein merkwürdiges Brausen an mein Ohr. Als ich nach oben blickte, sah ich Tausende von Bienen, die aufgeregt hin und her flogen. Es war ein Bienenschwarm, der gerade aus dem Gebälk unseres Hauses auszog. Gebannt schaute ich zu, wie immer noch mehr Bienen ins Freie stürzten, so als wollten sie schleunigst ihre bisherige Wohnung zwischen zwei Deckenbalken verlassen.
Wann sie bei mir eingezogen waren, wusste ich nicht. Aufgefallen war mir aber im Frühjahr, dass auf dem Boden direkt unter dem Einflugspalt ein paar tote Bienen lagen und oben einige Bienen ein und aus flogen.
Was sich aber nun abspielte, war etwas völlig anderes : Die Bienen verhielten sich wie trunken, brausten laut hörbar und flogen aufgeregt hin und her.
Nach ungefähr 5 Minuten wurde die mächtige Bienenwolke etwas kompakter und schien über einem kleinen Birnbaum in unserem Vorgarten stehen zu bleiben. Dann landeten zunächst nur einige Bienen auf einem dünnen Zweig des Baumes, schließlich immer mehr, bis sich der gesamte Schwarm auf dem etwa 60 cm langen Zweiglein niedergelassen hatte.
Durch das Gewicht der vielen Bienen hatte sich der Zweig mehr und mehr geneigt und hing jetzt senkrecht nach unten. Um ihn herum hatte sich eine beachtliche Bienentraube gebildet, die bald ruhig am Ästchen hing, so als wollten sich die Bienen erst einmal ausruhen.
„Die müssten doch leicht zu fangen sein!“ schoss es mir durch den Kopf. Aber ich wusste natürlich nicht, wie ich das anstellen sollte, ohne von den vermeintlich stechlustigen Biestern angefallen zu werden.
Kurz entschlossen rief ich meinen Kollegen Karl an, von dem ich wusste, dass er sich als Hobbyimker in Sachen Bienen bestens auskannte. „ Nur die Ruhe bewahren“, hörte ich ihn am Telefon sagen. „Nimm erst mal die Wasserspritze und sprühe die Schwarmtraube damit ein. Ich bin in einer halben Stunde bei dir!“.
Rasch füllte ich Omas Blumenspritze, nahm all meinen Mut zusammen und schlich mich vorsichtig an die „Gefahrenquelle“ heran. Dann sprühte ich die Schwarmtraube so stark ein, dass die Flügel der armen Bienchen völlig durchnässt waren.
Die ganze Aktion war erstaunlicherweise sehr friedlich verlaufen. Kaum zu glauben, aber ich hatte nicht einen einzigen Stich bekommen. Ich war echt stolz auf mich, schließlich hatte ich ja ein paar tausend Stecher voll unter meine Kontrolle gebracht. Nun galt es nur noch, den Schwarm zu beobachten und zu warten, bis Karl zu Hilfe kommen würde.
Als nach einer Stunde Kollege Karl immer noch nicht da war, entschloss ich mich, alleine auf Bienenfang zu gehen.. „ Man bräuchte einen Sack, dann könnte man das Ästchen mitsamt den Bienen hineinstecken“, überlegte ich.
Jutesack und Rebschere waren schnell beschafft. Vorsichtig zog ich den Sack von unten über die Bienentraube und schnitt dann den Ast ab. Gut verschnürt wurde die „Beute“ schließlich an der Teppichstange aufgehängt. Diese Aktion trieb mir zwar der Angstschweiß auf die Stirn, aber Stiche bekam ich auch diesmal nicht.
Nach gut einer Stunde kam Karl, einen leeren Bienenkasten unter dem Arm und brummte : „Wo hängt denn nun dein Bienenschwarm?“. Voller Stolz zeigte ich auf den Sack, wartete aber vergeblich auf ein Lob des Fachmannes. Meine Heldentat schien ihn jedoch nicht sonderlich beeindruckt zu haben. Wahrscheinlich war das Fangen von Bienenschwärmen für einen Imker überhaupt nichts aufregendes. „Wo willst du ihn denn aufstellen?“ fragte er nur. „Ein überdachter Platz mit Flugrichtung nach Süden wäre nicht schlecht !“
Nach kurzer Sondierung des Terrains hatten wir das ehemalige Hühnerhaus als günstigen Standort ausgemacht. „Jetzt müssen wir nur noch den Schwarm in den Kasten einschlagen. Schau mal zu, das geht ganz einfach !“
Er öffnete vorsichtig den Sack, zog das Ästchen mit den immer noch anhängenden Bienen heraus und schlug sie mit einem kräftigen Ruck in den leeren Kasten hinein. Die Bienen brausten auf und kamen massenweise an den Kastenwänden hoch gekrabbelt. Vorsichtshalber ging ich hinter dem Hühnerhaus in Deckung. Karl ließ die mitgebrachten Rähmchen seelenruhig in den brodelnden Kasten hinein sinken, kehrte mit einer Gänsefeder die über- quellenden Bienen zurück und legte den Deckel auf.
„Einen schönen Vorschwarm von mindestens vier Pfund hast du jetzt im Kasten sitzen. Der wird bei gutem Wetter in Nullkommanix die Mittelwände ausbauen, weil die alte Weisel sofort zu stiften beginnt. Die ersten drei Tage läßt du den Bien ganz in Ruhe. Beobachte nur das Flugloch. Wenn die Flugbienen mit dicken Pollenhöschen nach Hause kommen, ist alles in Ordnung. Wir haben gerade Tracht. In acht Tagen sind alle Mittelwände ausgebaut. Dann mußt du die 2. Zarge aufsetzen.“
Ich schaute ihn ziemlich verständnislos an. Die erste Lektion in Sachen Bienenhaltung hatte ich soeben in einer mir völlig fremden Sprache erhalten! Offenbar gab es auch bei den Imkern spezielle Fachbegriffe, die nur von Eingeweihten verstanden werden.
Mit einem verschmitzten Lächeln verabschiedete sich Karl und ließ mich mit meinen tausend Fragen allein. Vermutlich war diese „Provokation“ beabsichtigt.
Mich hat das zugeknöpfte Verhalten von Karl jedenfalls dazu gebracht, noch am nächsten Tag ein Lehrbuch zu kaufen. Es war eine Neuauflage von Band 5 Handbuch der Bienenkunde von Enoch Zander. In ihm fand ich die geheimnisvollen Imker-Fachbegriffe, die man kennen muß, wenn man in die ehrbare Zunft der Zeidler aufgenommen werden will. Und ich wollte !
Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen, aus dem ersten Schwarm ist eine kleine Hobbyimkerei geworden, die ich auch heute noch schlecht und recht betreibe. Mein Freund Karl ist jetzt über 80 Jahre alt. Und wenn wir uns gelegentlich treffen, dann reden wir, wie könnte es anders sein, über die Bienen.
 

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